Psychotherapeutenkammer Bayern

29. Delegiertenversammlung: 5-Jahres-Rückblick, Haushaltsplan verabschiedet, Änderungen der Satzung, Verfahrensordnung Patientenberatung und Fortbildungsrichtlinie beschlossen, Reform von Aus- und Weiterbildung; Teil 1

In der letzten Delegiertenversammlung der 3. Wahlperiode am 10.11.2016 skizzierte Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop die Schwerpunkte der Kammerarbeit der letzten fünf Jahre, ging auf aktuelle berufs- und gesundheitspolitische Ereignisse ein und erläuterte die Aktivitäten der PTK Bayern.

Der Vorstand der 3. Amtsperiode (v. l.): Dr. Bruno Waldvogel, Priv.-Doz. Dr. Heiner Vogel, Dr. Anke Pielsticker, Dr. Nikolaus Melcop, Birgit Gorgas, Peter Lehndorfer und Benedikt Waldherr. Foto: Johannes Schuster
Die 29. Delegiertenversammlung wurde von Klemens Funk und Elisabeth Gerz-Fischer geleitet. Foto: Johannes Schuster

Ein Fokus der Gesundheitsreformen der letzten Jahre (GKV-Versorgungsstrukturgesetz, GKV-VStG, 2012 und im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, GKV-VSG, 2015) war für den Bereich der Psychotherapie neben der Neufassung der Psychotherapie-Richtlinie und der Aufhebung von Befugniseinschränkungen die Bedarfsplanung. Der Bundestag gab dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) jeweils den Auftrag, die Bedarfsplanungs-Richtlinie neu zu gestalten und die Morbidität und die Demografie zu berücksichtigen. Bis jetzt, so betonte Melcop, seien jedoch die historischen Planungsfehler aus dem Jahr 1999 nicht korrigiert worden. Die Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie 2013 hätte in Bayern dennoch rund 280 zusätzliche Niederlassungen ermöglicht. Im Zuge einer Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie Mitte Juni 2016 könnten psychotherapeutische Praxen künftig ihren Patient/innen mehr Behandlungen dadurch anbieten, dass sie sich leichter einen Praxissitz teilen (Jobsharing) oder eine/n Psychotherapeut/in/en anstellen könnten. Auf die Umsetzung des im GKV-VSG festgelegten Auftrags an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), die Bedarfsplanung bedarfsgerechter und kleinräumiger zu regeln, „dürfen wir gespannt sein“, so Melcop wörtlich. Er kündigte in diesem Zusammenhang einen eigenen Vorschlag für eine gerechtere Neuordnung der Bedarfsplanung vonseiten der Bundespsychotherapeutenkammer an.

Den Bericht des Vorstands präsentierte Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop. Foto: Johannes Schuster

Die derzeitige ambulante psychotherapeutische Versorgungssituation im GKV-Bereich sei gekennzeichnet durch eine hohe Steigerungsrate bei hälftigen Versorgungsaufträgen, durch vermehrte Anstellungen in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sowie durch vermutlich rückläufiges Kostenerstattungsverfahren.

Die neuen Regelungen der am 1.4.2017 in Kraft getretenen Psychotherapie-Richtlinie werden für Patient/innen und Psychotherapeut/innen erhebliche Veränderungen nach sich ziehen, hob Melcop hervor. Aktuell hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Neufassung der Psychotherapie-Richtlinie beanstandet. So darf u. a. die psychotherapeutische Sprechstunde nicht als freiwillige Kann-Leistung eingeführt werden. Der G-BA hat bis Ende November 2016 Zeit, nachzubessern.

Die Finanzierung der psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser war ein weiterer gesundheitspolitischer Schwerpunkt in den letzten fünf Jahren. Melcop umriss den Weg zum am 10.11.2016 vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur „Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG). Dieser führte über das Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser (PsychEntgG), jahrelange Diskussionen zum pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) bis hin zu den Eckpunkten zur Weiterentwicklung des PsychEntgeltsystems durch das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2016. Das PsychVVG hat den G-BA beauftragt, bis zum 30.9.2019 verbindliche Personalvorgaben für eine leitlinienorientierte Versorgung in den Einrichtungen zu beschließen.

Vordringliche Interessen der Angestellten – vor allem die Tarifpolitik und Vergütung sowie die Reform der Finanzierung von Psychiatrie und Psychosomatik – wurden in den beiden Angestelltentagen 2012 und 2016 erörtert. Die Angestelltenbefragung 2013 lieferte wichtige Daten zur Diskussion der Struktur- und Stellenstandards in der Psychiatrie. Die Kommission für Psychotherapie in Institutionen hat kürzlich eine Stellenbeschreibung erarbeitet, die Aufgaben und Verantwortungsbereiche angestellter Psychologischer Psychotherapeut/innen (PP) darstellt. Als Erfolg wertete Melcop, dass im neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes Psychologische Psychotherapeuten (PP) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen (KJP) erstmals aufgenommen wurden. Die Höhe der Einstufung sei jedoch deutlich zu niedrig. Deshalb wurde auch die Unterschriftenaktion der ver.di-Fachkommission PP/KJP gegen die zwischen ver.di und den Arbeitgebervertretern verhandelte neue Entgeltordnung für PP/KJP (EG 14) von der PTK Bayern, wie auch von anderen Landespsychotherapeutenkammern, unterstützt. Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 14 ist aus Sicht der PP/KJP-Fachkommission bei ver.di, der Kammern und der Verbände nicht akzeptabel, weil sie in keiner Weise dem Anspruch auf eine angemessene Einstufung, die sich am vergleichbaren Facharztniveau orientiert, entspricht. Insgesamt gingen 1.482 Unterschriften bei geschätzten 2.032 angestellten Kolleg/innen aus Bayern ein.

Im Rahmen der im Oktober 2011 von den Delegierten verabschiedeten Gutachter-Richtlinie-Forensik sind mit Stand Oktober 2016 nach einer curricuralen Fortbildung 25 Anerkennungen für Mitglieder erfolgt. Derzeit laufen Bestrebungen zur bundesweiten Vereinheitlichung in der forensischen Sachverständigentätigkeit.

Die Kammer hat sich auch in der 3. Amtsperiode unermüdlich für gerechte Honorare der Niedergelassenen im GKV-System eingesetzt. Melcop erinnerte hierbei an die massive Lobbyarbeit 2012, an die Positionsbestimmung der 21. Delegiertenversammlung im gleichen Jahr und - nach dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses im September 2015 – an die Forderung der Kammer, im SGB V festzulegen, dass der Bewertungsausschuss eine mit allen Arztgruppen vergleichbare Vergütungshöhe beschließen und diese jährlich überprüfen soll. Zum aktuellen Entwurf der Gebührenordnung für Ärzte bzw. Gebührenordnung für PP/KJP (GOÄ/GOP), an deren Novellierung die BPtK seit Jahren beteiligt ist, hat diese Änderungsvorschläge eingebracht. Die Bundesärztekammer überarbeitet derzeit alle Leistungskapitel.

Auf bayerischer Ebene hat die Kammer in der 3. Amtsperiode zwei wichtige Gesetze begleitet: Auf dem Weg zum Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG), zu dem ein erster Gesetzesentwurf 2017 erwartet wird, war die Kammer in unterschiedlichen Arbeitsgruppen involviert. Einen großen Erfolg stellt die Neuregelung im Maßregelvollzugsgesetz (2015) dar. Dort ist jetzt geregelt, dass Leitungsfunktionen für PP möglich sind. Dies hatte die PTK Bayern nachhaltig gefordert.

Nach langjähriger Diskussion haben die Delegierten im Dezember 2014 darüber hinaus die Weiterbildungsordnung verabschiedet, die derzeit Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Klinische Neuropsychologie, Systemische Therapie und Gesprächspsychotherapie ermöglicht.

In der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, im Rahmen derer die Kammer seit Jahren enge Kooperationen mit der LAG Erziehungsberatung und dem Netzwerk Kinder krebskranker Eltern des Klinikums München-Großhadern und des Vereins „lebensmut“ pflegt, ging Melcop insbesondere auf den Jahresschwerpunkt des Bayerischen Gesundheitsministeriums (StMGP) 2016 „Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen“ ein. Er stellte den Fachtag im Juni 2016 mit Podiumsdiskussion und die beiden Veranstaltungen zum Thema „Cybermobbing“ für Eltern und Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen bzw. Lehrer/innen heraus.

Im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung hob Melcop die Regelungen mit dem Bayerischen Justizministerium in Bezug auf Psychotherapie mit (Sexual)-Straftäter/innen (2012) und die drei Umfragen zu Erfahrungen in der Psychotherapie mit Straftäter/innen hervor. Besonders intensiv hat sich die Kammer in der 3. Amtsperiode darüber hinaus für die Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Soldat/innen und Geflüchteten engagiert. Melcop unterstrich auch den Einsatz der Kammer in den vom StMGP initiierten Gesundheitsregionenplus. Auf Vermittlung der Kammer sind mit Stand Mitte Oktober 2016 Psychotherapeut/innen in 20 Gesundheitsregionenplus vertreten, in Bayern gibt es derzeit 33 Gesundheitsregionenplus.

Auf europäischer Ebene nimmt Dr. Nikolaus Melcop seit Jahren am European Health Forum für die BPtK, die PTK Bayern und das Network for Psychotherapeutic Care in Europe (NPCE) teil und hält enge Kontakte zu Politikern der EU-Kommission.

Dr. Anke Pielsticker informierte über das BPtK-Symposium „Frauen in die Berufspolitik!“ (29.9.2016). Eine eigens gebildete Bund-Länder-Arbeitsgruppe, an der die beiden Vorstandsmitglieder Dr. Anke Pielsticker und Birgit Gorgas aktiv mitwirken, soll Strategien und Instrumente erarbeiten, wie Frauen in der (Berufs-)Politik gefördert werden können.
 

Vorstandsmitglied Dr. Anke Pielsticker. Foto: Johannes Schuster

Am Ende des Vorstandsberichts betonte Melcop, dass der Berufsstand in den letzten fünf Jahren auf einen Teil der dramatischen Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld aktiv reagiert habe: auf die große Zahl geflüchteter Menschen, deren Unterstützungsbedarf, auf die durch Terroralarm ausgelösten Ängste, auf die besondere Belastungssituation von Soldat/innen und vieles andere mehr. Gleichzeitig bahne sich jedoch weltweit das Gefühl der Ohnmacht und Orientierungslosigkeit in einen starken Drang weiter Bevölkerungsschichten nach nationaler Abgrenzung und extrem einfachen und auch rabiaten Botschaften. Melcop rief dazu auf, an der Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas mitzuwirken: „Wir sollten weiterdenken, wie wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aktiv mit dazu beitragen können, dass Hilfsbereitschaft und Toleranz gelebte Werte werden können und ein Abbau demokratischer Grundwerte verhindert wird!“

Melcop dankte den Delegierten, den Vorsitzenden der Delegiertenversammlung, den ständigen Vertreter/innen der Psychotherapeuten in Ausbildung, der Ausbildungsinstitute und Hochschulen sowie den Mitgliedern der sechs Ausschüsse und der Kommission für Psychotherapie in Institutionen für die gute Zusammenarbeit und ihr tatkräftiges Engagement. Er dankte vor allem auch den Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle für ihre Unterstützung und unermüdlichen Einsatz.

In der anschließenden Diskussion dankten die Delegierten dem Vorstand für die geleistete Arbeit in der 3. Amtsperiode mit Applaus. Weiterhin ging es in den Redebeiträgen u. a. um das komplexe System der Bedarfsplanung sowie die Auswirkungen der Psychotherapie-Richtlinie und insbesondere der Sprechstunde auf die Versorgung.


Weitere Berichte

Des Weiteren wurde aus der Kommission für Psychotherapie in Institutionen (Dr. Christian Hartl) sowie aus den Ausschüssen der Kammer für Fortbildung (Thomas Stadler) und psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Peter Drißl) berichtet.

Danach informierten die satzungsgemäßen Vertreter/innen der Hochschulen (Prof. Angelika Weber), der Ausbildungsinstitute (Dr. Christoph Kröger) sowie der Ausbildungsteilnehmer/innen Psychotherapie (Dominik Schoeller) über ihre Tätigkeit.

 

Die weiteren Themen Reform der Aus- und Weiterbildung, Haushaltsplan 2017, Neuberechnung der Delegiertensitze des Deutschen Psychotherapeutentags sowie Beschlüsse zu Änderungen der Satzung, der Verfahrensordnung der Beratung für Patienten in Psychotherapie und zur Fortbildungsrichtlinie finden Sie im Teil 2 unseres Berichtes zur 29. Delegiertenversammlung. Bitte lesen Sie dort weiter.

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