Psychotherapeutenkammer Bayern

PTK Bayern fordert bei ADHS Vorrang für nicht-medikamentöse Behandlung

Pressemitteilung
01. Februar 2013 -

Mehr Behandlungskapazitäten in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie könnten die nicht-medikamentöse Behandlung von ADHS deutlich stärken

„Die offenbar deutliche Zunahme der Verschreibung von Ritalin für an ADHS erkrankte Kinder und Jugendliche kann nicht der richtige Weg sein“, betont Peter Lehndorfer, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Bayern und bezieht sich auf den Ärztereport 2013 der Barmer GEK. Vor der Verordnung von Psychopharmaka an Kinder und Jugendliche muss die Indikation hierfür gründlich geprüft werden. Dazu gehört auch, zuerst alternative Behandlungsmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind Spezialisten für die Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen und Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Sie dürfen laut dem Sozialgesetzbuch keine Medikamente verschreiben. Ich fordere einen Ausbau der nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten und warne eindringlich vor einer nicht indizierten, einseitigen Verordnung von Ritalin. Die Spätfolgen dieses Medikaments kennen wir noch gar nicht.“

Bereits im September 2010 hat der Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen, beschlossen, dass die alleinige Verordnung von Medikamenten mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin) bei Kindern und Jugendlichen, die an einer Hyperkinetischen Störung bzw. Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) leiden, unzulässig sei. Stimulanzien wie Ritalin dürfen seither erst dann eingesetzt werden, wenn die nicht-medikamentöse Behandlung erfolglos ist. Ritalin sollte nur im Rahmen einer therapeutischen multimodalen Gesamtstrategie verabreicht werden, die auch psychotherapeutische, pädagogische und soziale Therapiekonzepte nutzt. „Ich kann nur im Interesse der jungen Patientinnen und Patienten hoffen, dass diese Vorschriften nicht vergessen wurden“, warnt Lehndorfer.

Eine multimodale ADHS-Therapie sollte nach Ansicht der PTK Bayern in erster Linie aus einer Psychotherapie des betroffenen Kindes oder Jugendlichen sowie begleitender Aufklärung und Beratung aller Beteiligten, beispielsweise einem Elterntraining bestehen. „Eine Pharmakotherapie sollte nur unter sorgfältiger Abwägung des Nutzens und der Risiken begonnen werden“, stellt Lehndorfer fest.
 
Auch wenn Würzburg und Unterfranken nach dem Report der Barmer als ADHS-Hochburgen in Deutschland gelten, gibt es in dieser Region trotzdem zu wenig Psychotherapeut/innen: Nach einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem Jahr 2011 müssen in Würzburg Kinder und Jugendliche im Durchschnitt 14,9 Wochen auf den Beginn einer Psychotherapie warten. Im Raum Nordunterfranken/Main-Spessart sogar 24,4 Wochen. In Würzburg gibt es derzeit nur rund 80 Psychotherapeut/innen, nur ein Teil davon behandelt Kinder und Jugendliche. „Gäbe es in Würzburg und anderswo mehr Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die verantwortlich Behandlungsmodelle von ADHS anleiten oder dort mitwirken würden, könnte den betroffenen Kindern und Jugendlichen viel früher geholfen werden“, so Lehndorfer. „Vielfach könnte dann auf Ritalin und andere Medikamente verzichtet werden.“
 
ADHS ist durch eine Aufmerksamkeitsstörung, Überaktivität und Impulsivität gekennzeichnet. Diese drei Kernsymptome beginnen vor dem sechsten Lebensjahr. Symptomatisch sind vor allem Konzentrationsstörungen, Ess- und Schlafprobleme sowie ein starker Bewegungsdrang. Studien haben nachgewiesen, dass ADHS in der Folge zu mehr (Verkehrs-)Unfällen, einem höheren Suchtrisiko, Problemen in Schule und Beruf sowie in Partnerschaften führen können. „Nur bei 50 bis 70 Prozent der Kinder, so belegen Studien, normalisiert sich das Verhalten durch Medikamente. Im Vordergrund muss daher die Psychotherapie stehen, um die Folgen einer ADHS zu vermeiden“, empfiehlt Lehndorfer. „Derzeit läuft eine große Studie in Frankfurt, in der die Wirksamkeit von Verhaltenstherapie, psychodynamischer Psychotherapie und Medikation verglichen wird. Die Zwischenergebnisse zeigen gute Effekte für die Psychotherapie.“
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