Meldung vom 28.07.2020
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am 14.06.2020 über den Eilantrag eines Psychologischen Psychotherapeuten zur Maskenpflicht in psychotherapeutischen Praxen (siehe unsere Meldung vom 07.05.2020) entschieden.
Der Antrag, den Vollzug der Regelung in der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zur Maskenpflicht in Praxen einstweilen auszusetzen, wurde vom Gericht abgelehnt.
Das Gericht sah keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Regelung. Dabei wurde unter anderem auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterbestehende pandemische Geschehen abgestellt.
Das Gericht erkannte an, dass das therapeutische Behandlungsziel von psychotherapeutischen Behandlungen durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf Seiten der Therapeut*innen und/oder der Patient*innen gefährdet sein kann. Daher bedürfe es zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Maskenpflicht neben den in § 1 geregelten allgemeinen Ausnahmen (z.B. gesundheitliche Gründe) eines weiteren speziellen Ausnahmetatbestands. Ein solcher sei in § 12 Abs. 3 BayIfSMV formuliert. Danach entfällt die Maskenpflicht in Praxen auch, „soweit die Art der Leistung sie nicht zulässt“.
Das Gericht führt aus, dass die in Praxen von Psychologischen Psychotherapeut*innen erbrachten Leistungen fast durchweg im Rahmen eines Behandlungsvertrags i.S.v. § 630a Abs. 1 BGB erbracht würden. Dieser verpflichte die Behandelnden zu einer Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards. Eine Behandlung habe daher, unbeschadet fachlicher Besonderheiten im Einzelfall, jedenfalls so zu erfolgen, dass der*die Patient*in keine vermeidbaren Schäden erleide. Wenn das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch den*die Behandelnde*n und/oder die Patient*in in einem konkreten Einzelfall zu einem Gesundheitsrisiko für die Patient*in führen oder den Verlauf der vereinbarten und geschuldeten Behandlung beeinträchtigen sollte, läge damit eine Situation vor, in der die Art der geschuldeten Leistung das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der Regelung zur Maskenpflicht nicht zulasse. Der*die Behandelnde könne anderenfalls die Behandlungsleistung nicht mit der vertraglich geschuldeten Sorgfalt erbringen.
Das Gericht sieht in einem solchen Fall das Erfordernis einer umfassenden Abwägung durch die Behandelnden und führt dazu aus:
„Ob in einem solchen Fall im Hinblick auf die jeweiligen Gesamtumstände - etwa das im Einzelfall bestehende Infektionsrisiko, die individuelle Schutzbedürftigkeit von Patient und Behandelndem oder die Möglichkeit, das Infektionsrisiko durch anderweitige geeignete Schutzmaßnahmen zu verringern - die ärztliche oder therapeutische Behandlung auch ohne das Tragen einer MNB notwendig und vertretbar ist, mithin die Vorteile einer Behandlung die (immer vorhandenen) Infektionsrisiken überwiegen, muss als medizinische oder therapeutische Abwägungsentscheidung letztlich dem Behandelnden vorbehalten bleiben. Denn dieser ist als Einziger in der Lage, die konkret-individuellen Umstände zu ermitteln und in Relation zu setzen.“
Das Gericht weist dabei unter anderem auch auf die erhöhte Verantwortung der Therapeut*innen hin, falls Patient*innen aufgrund fehlender Einsichtsfähigkeit nicht in der Lage sein sollten, das Ergebnis einer solchen Abwägungsentscheidung rational nachzuvollziehen und mitzutragen.
Bei der Behandlung von Kindern und von Jugendlichen, die noch nicht hinreichend einsichtsfähig sind, ist daher auch eine Klärung mit den Personensorgeberechtigten herbeizuführen. Kinder bis zum sechsten Geburtstag sind gemäß § 1 der Verordnung von der Maskenpflicht befreit. Dies entbindet allerdings nicht von der Abwägung der Risiken im Einzelfall.
Den Beschluss des VGH vom 14.06.2020 (Az. 20 NE 20.1183) finden Sie im Wortlaut hier.
Die aktuelle Fassung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung finden Sie hier.