Psychotherapeutenkammer Bayern

8. Bayerischer Landespsychotherapeutentag: „Psychotherapie in Grenzsituationen“

Am 19. Oktober 2019 fand der 8. Bayerische Landespsychotherapeutentag (LPT) in München mit 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Thema „Psychotherapie in Grenzsituationen“ statt.

Bei der Veranstaltung ging es um „Grenzsituationen“ in Psychotherapien, in denen Psychotherapeut/innen in besonderer Weise fachlich und persönlich angesprochen und gefordert sind und wie diese bewältigt werden können.

Der 8. Bayerische Landespsychotherapeutentag fand in der ausgebuchten Alten Kongress-halle in München statt. (Foto: Siegfried Sperl)

Der 8. Bayerische Landespsychotherapeutentag fand in der ausgebuchten Alten Kongresshalle in München statt. (Foto: Siegfried Sperl)

Kammerpräsident Nikolaus Melcop eröffnete den 8. Bayerischen Landespsychotherapeutentag: „Wir wissen, dass wir in der psychotherapeutischen Arbeit zeitweise fachliche und persönliche Grenzen erreichen. Das große Interesse an dem Thema heute zeigt, dass es zu unserem Selbstverständnis gehört, dass wir dabei nicht stehen bleiben, sondern uns immer neu möglichen Grenzsituationen stellen und damit umgehen lernen wollen.“ In seiner Eröffnungsrede ging er auf aktuelle gesundheitspolitische Themen ein: Das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung bilde ein erheblich breiteres Berufsbild ab als zuvor und zeige dabei auch eine hohe Wertschätzung für Psychotherapeut/innen als Heilkundige in Kliniken, Praxen, Beratungsstellen, als Forschende und als Expert/innen für psychische Gesundheit. Beim Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) führte Herr Melcop aus, dass auch die Psychotherapeutenschaft offen sei für die digitale Unterstützung ihrer Arbeit. Er betonte jedoch, dass die Wirksamkeit der digitalen Angebote in der Psychotherapie belegt und insbesondere auch der Datenschutz sichergestellt sein müssten.


rechts im Bild: Kammerpräsident Nikolaus Melcop (Foto: Siegfried Sperl)

 



Kammerpräsident Nikolaus Melcop (Foto: Siegfried Sperl)

Auch Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer MdL, Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung setzte sich mit seinen Grußworten für die Notwendigkeit der Datensicherheit für Patient/innen ein, die besonders auch bei der geplanten elektronischen Patientenakte ein vorrangiges Thema zu sein hat. Außerdem sprach er sich gegen die Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen aus: „Bei psychischen Erkrankungen stehen wirksame Hilfen und Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Niemand sollte daher aus Unkenntnis oder gar Scham darauf verzichten, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Als Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung setze ich mich deshalb für noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Aufklärung über psychische Erkrankungen ein. In unserer Gesellschaft müssen wir einander aufmerksam, empathisch und hilfsbereit begegnen!“


rechts im Bild: Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer MdL, Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer MdL, Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayeri-schen Staatsregierung (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Udo Rauchfleisch, Fachpsychologe für Psychotherapie und Professor emer. für Klinische Psychologie an der Universität Basel, stellte dem Plenum in seinem Vortrag die Frage: „Was tun, wenn wir an unsere Grenzen stoßen?“ Er berichtete über persönliche Erfahrungen, bei denen er in seiner therapeutischen Praxis an Grenzen stieß, und über seine Arbeit mit transidenten Menschen und Personen mit dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörungen. Er erläuterte, dass in Grenzfällen der Psychotherapie die Modifikation der therapeutischen Konzepte und das Infrage stellen von traditionellen Klassifizierungen und Kategorisierungen notwendig sei.


rechts im Bild: Prof. Dr. Udo Rauchfleisch (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Udo Rauchfleisch (Foto: Siegfried Sperl)

Dr. Marga Löwer-Hirsch, Psychologische Psychotherapeutin, setzte sich in ihrem Vortrag mit der Liebe in der Therapie, deren therapeutischer Handhabung und deren therapeutischen Grenzen auseinander. Dabei diskutierte sie die Dialektik der Liebe als dynamisches Phänomen in der Therapie und deren Missbrauch zu narzisstischen Zwecken. Ihre Überlegungen veranschaulichte sie an einigen Fallvignetten.


rechts im Bild: Dr. Marga Löwer-Hirsch (Foto: Siegfried Sperl)

Dr. Marga Löwer-Hirsch (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Ralf T. Vogel, Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis und Honorarprofessor für Psychotherapie und Psychoanalyse an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, thematisierte ganz andere Grenzsituationen: Er sprach in seinem Vortrag „Todesthemen in der Psychotherapie“ darüber, dass das Todesthema implizit die Grundlage vieler psychischer Symptomkonstellationen bildet. Er regte dazu an, sich mit den Themen Sterblichkeit und Tod auch persönlich auseinanderzusetzen und ein eigenes Konzept vom Tod zu entwickeln. Dies sei eine wichtige Grundlage für die professionelle Arbeit im Umgang mit Todesthemen in der Psychotherapie.


rechts im Bild: Prof. Dr. Ralf T. Vogel (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Ralf T. Vogel (Foto: Siegfried Sperl)

Der Vortrag von Dr. Wolfram Dorrmann, Psychologischer Psychotherapeut und Lehrbeauftragter an der Universität Eichstätt, behandelte das Thema des Patientensuizids und die Frage, wie Psychotherapeut/innen eine erfolgte Selbsttötung von Patient/innen professionell verarbeiten können. Dorrmann ging dabei u.a. auf den Umgang mit Schuldgefühlen und Trauer ein. Er gab Anregungen für den Supervisionsprozess mit Kolleg/innen und stellte entlastende Grundhaltungen für Psychotherapeut/innen nach einem Patientensuizid sowie Hinweise für den Umgang mit Angehörigen nach einem Suizid vor.


rechts im Bild: Dr. Wolfram Dorrmann (Foto: Siegfried Sperl)

Dr. Wolfram Dorrmann (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner, Professorin für Klinische Psychologie und Sozialarbeit im Arbeitsbereich Psychosoziale Diagnostik und Interventionen an der Alice Salomon Hochschule in Berlin, referierte über „Schwierige Situationen in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie mit dem Schwerpunkt auf frühkindlicher Traumatisierung“. Sie gab in ihrem Vortrag mit einer Zusammenschau von Forschung, Theorie und Praxis einen Überblick in die Besonderheiten der Arbeit mit früh traumatisierten Kindern und Jugendlichen.


rechts im Bild: Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner (Foto: Siegfried Sperl)

Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner (Foto: Sieg-fried Sperl)

Abschließend berichtete Christine Gallas, Psychologische Psychotherapeutin in der Psychotherapeutischen Spezialambulanz für Stalking-Opfer am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, über die Grenzsituation, wenn Psychotherapeut/innen Betroffene von Stalking und Cyberstalking werden. Dabei ging sie auf Gefährdung, Bewältigungsmöglichkeiten und Prävention ein.


rechts im Bild: Christine Gallas (Foto: Siegfried Sperl)

Christine Gallas (Foto: Siegfried Sperl)

Die Referentinnen und Referenten und der Vorstand der PTK Bayern auf dem 8. Bayerischen Landespsychotherapeutentag (v.l.n.r.): Dr. Anke Pielsticker, Prof. Dr. Ralf T. Vogel, Dr. Marga Löwer-Hirsch, Prof. Dr. Udo Rauchfleisch, Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner, Dr. Bruno Waldvogel, Dr. Monika Sommer, Dr. Wolfram Dorrmann, Dr. Nikolaus Melcop, Birgit Gorgas, Peter Lehndorfer und Christine Gallas. (Foto: Siegfried Sperl)


Die Teilnehmenden nutzten die Veranstaltung, um intensiv mit den Referierenden zu diskutieren und zum kollegialen Austausch in den Pausen.

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