Psychotherapeutenkammer Bayern

26. Delegiertenversammlung: Versorgungsstärkungsgesetz und die Folgen, Resolution zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen

Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop ging im Rahmen des Vorstandsberichtes der 26. Delegiertenversammlung am 18.06.2015 zunächst auf das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ein, das am 11.06.2015 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Er begrüßte, dass das GKV-VSG diverse neue Regelungen enthält, die das Leistungsspektrum von niedergelassenen Psychotherapeut/innen erweitern werden und damit eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung bewirken sollen. Zu nennen sind hier u. a. die geplante Einführung von Sprechstunden und weiteren zusätzlichen psychotherapeutischen Maßnahmen, von Befugnissen zur Verordnung von Krankenhausbehandlung, von Krankentransporten, psychotherapeutischer Rehabilitation und von Soziotherapie. Das neue Gesetz ermöglicht Psychotherapeut/innen darüber hinaus, bei Jobsharing zukünftig Behandlungsstunden auch über dem Fachgruppendurchschnitt anbieten zu können. Wichtig sei, dass jetzt die Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen zeitnah, sachgerecht und praxistauglich erfolge.

Zu kritisieren sei die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass die Zulassungsausschüsse in überversorgten Planungsbereichen ab einem Versorgungsgrad von 140 Prozent Praxissitze abbauen sollen. In Bayern sollen demnach in 30 von insgesamt 79 Planungsbereichen rund 800 Praxissitze abgebaut werden, wenn nicht von Seiten der Zulassungsausschüsse der Versorgungsbedarf festgestellt wird. Vom möglichen Abbau der Sitze ist Bayern von allen Bundesländern am stärksten betroffen. Deutschlandweit sind es rund 4.300 psychotherapeutische Niederlassungen. Auf die Zulassungsausschüsse komme hier eine besondere Verantwortung zu. Da der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit dem Gesetz den Auftrag erhalten habe, bis zum 31.12.2016 die Bedarfsplanung neu zu regeln, forderte er eine Neuausrichtung, mit der der tatsächliche Bedarf besser abgebildet werden könne als bisher.

Kammerpräsident Dr. Nikolaus Melcop erläuterte und kommentierte im Bericht des Vorstands das GKV-VSG. Foto: Johannes Schuster
Die 26. Delegiertenversammlung wurde von Elisabeth Gerz-Fischer und Klemens Funk geleitet. Foto: Johannes Schuster

Der Kampf für gerechte Honorare im KV-System werde verstärkt fortgesetzt. Im anstehenden Beschluss des Bewertungsausschusses wollen die Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Rahmen der Nachvergütung die Honorarhöhe niedrig halten. Bemerkenswert sei ein Schreiben von Gesundheitsministerin Melanie Huml an die Kammer, in dem sie zum Ausdruck bringt, dass der Bayerischen Staatsregierung bewusst ist, dass die durchschnittliche Vergütung der Psychotherapeut/innen signifikant hinter der anderer Facharztgruppen zurückbleibt. Die Ministerin sagte zu, dass sie prüfen lassen werde, ob ein Einschreiten des Gesetzgebers geboten erscheine bzw. ein entsprechender bayerischer Vorstoß beim Bundesgesetzgeber Erfolgschancen hätte.

Hinsichtlich der stationären Versorgung berichtete Melcop, dass die Kontakte und Gespräche mit den Direktoren von psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sowie der kinder- und jugendlichenpsychiatrischen und -somatischen Kliniken fortgesetzt werden. Bei diesen Gesprächen geht es derzeit um Fragen der Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung, Planungen zur Qualitätssicherung und Finanzierung von Kliniken, Stellung von Psychotherapeut/innen und Ausbildungsteilnehmer/innen in Kliniken und um die geplante Reform von Aus- und Weiterbildung.

In Bezug auf die Verbesserung der Krisenversorgung in Bayern habe die Kammer in Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium und der KVB vorgeschlagen, mit bestehenden Krisendiensten zu kooperieren sowie die Bedürfnisse chronisch psychisch kranker Menschen zu berücksichtigen, um stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Auch solle der stationäre und ambulante Sektor besser vernetzt werden.

Auch in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) hat die Kammer die Notwendigkeit einer flächendeckenden Krisenversorgung gefordert. Darüber hinaus sollte das Gesetz u. a. mit dazu beitragen, dass Psychotherapie zukünftig in der ambulanten, stationären und ambulant-komplementären Versorgung besser integriert wird.

Im geplanten neuen Maßregelvollzugsgesetz ist Ziel der Kammer die Verbesserung der Versorgung durch einen angemesseneren Einbezug unserer Berufsgruppen in verantwortliche Tätigkeiten. Das Maßregelvollzugsgesetz soll noch vor der Sommerpause im Bayerischen Landtag verabschiedet werden. Ein Änderungsantrag von Abgeordneten der CSU zum Gesetzentwurf, der die Leitung einer Einrichtung des Maßregelvollzugs in besonderen Fällen auch auf psychologische Psychotherapeut/innen mit forensischer Zusatzqualifikation zu übertragen, ist Anfang Juli im Sozialausschuss des Landtags angenommen worden.

Den Jahresschwerpunkt des Bayerischen Gesundheitsministeriums zur Kindergesundheit „Ich.Mach.Mit. Alles, was gesund ist.“ unterstützt die Kammer mit Veranstaltungen zum Thema Cybermobbing. In der Auftaktveranstaltung zum Jahresschwerpunkt am 17.06.2015 hat Vizepräsident Peter Lehndorfer an einer Gesprächsrunde zur psychischen Gesundheit mit Staatsministerin Huml, Prof. Schulte-Körne (LMU Kinder- und Jugendpsychiatrie) und Eva Straub (Verband der Angehörigen Psychisch Kranker) teilgenommen.

Melcop berichtete zudem über den Stand der Reform der Ausbildung und ging hier auf die Aktivitäten der Bund-Länder-AG-Transition ein. Das Thema „Reform der Ausbildung“ sei auch ein Schwerpunktthema der Treffen mit den leitenden Psychotherapeut/innen in Kliniken, der Ausbildungsinstitute und mit Hochschullehrer/innen in Bayern gewesen.

Am Ende seines Vorstandsberichts ging Nikolaus Melcop auf den 6. Bayerischen Landespsychotherapeutentag ein, der am 09.05.2015 in München stattfand. Die hohe Medienresonanz hat die Relevanz des Themas für die öffentliche Diskussion gezeigt. Er rief die Delegierten dazu auf, sich intensiv mit den Entwicklung der Möglichkeiten und Gefahren des Internets für Prävention und Behandlung zu beschäftigen, da hier auch weiterhin mit weitreichenden Entwicklungen zu rechnen sei.

Vorstandsmitglied Dr. Anke Pielsticker berichtete über den Stand der Umsetzung der Weiterbildungsordnung in Bayern. Ab Mitte Oktober sind die ersten Sitzungen der neu zu gründenden Prüfungsausschüsse für die jeweiligen Weiterbildungsbereiche geplant.

Vorstandsmitglied Dr. Anke Pielsticker informierte über den aktuellen Stand der Umsetzung der Weiterbildungsordnung. Foto: Johannes Schuster

 

Weitere Berichte

Nach dem Vorstandsbericht wurde aus der Kommission für Psychotherapie in Institutionen (Dr. Christian Hartl) sowie aus den Ausschüssen der Kammer für Einsprüche (Angelika Rothkegel), Weiterbildungsordnung (Dr. Herbert Ühlein), Fortbildung (Thomas Stadler), Berufsordnung (Dr. Jürgen Thorwart) sowie für psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Silke von der Heyde) berichtet.
 
Danach informierten die satzungsgemäßen Vertreter der Hochschulen (Prof. Angelika Weber), der Ausbildungsinstitute (Dr. Christoph Kröger) sowie der Ausbildungsteilnehmer/innen Psychotherapie (Dominik Schoeller) über ihre Tätigkeit.

 

Jahresabschluss 2014 einstimmig angenommen, Vorstand entlastet

Vizepräsident Peter Lehndorfer erläuterte detailliert den Jahresabschluss für das Jahr 2014.

Vizepräsident Peter Lehndorfer präsentierte die wesentlichen Kernzahlen des Jahresabschlusses 2014. Foto: Johannes Schuster

Nach der Stellungnahme von Rudolf Bittner für den Finanzausschuss wurde der Jahresabschluss 2014 durch die Delegiertenversammlung einstimmig angenommen und der Vorstand entlastet.

Die Delegierten nahmen den Jahresabschluss 2014 einstimmig an. Foto: Johannes Schuster

 

Psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen verbessern!

Vizepräsident Peter Lehndorfer erläuterte einleitend zunächst die Aktivitäten und Forderungen der Bundespsychotherapeutenkammer seit dem Jahr 2010. Zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Migrant/innen habe die BPtK unter anderem Psychotherapie in der Muttersprache bzw. ggf. den Einsatz von Sprachmittlern gefordert. In mehreren Resolutionen habe der 26. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) am 25.04.2015 u. a. gefordert, dass Flüchtlinge und Asylsuchende aller Altersgruppen in allen Phasen des Anerkennungsverfahrens bundesweit die notwendigen Behandlungen erhalten sollten und dass die Entscheidung einer Behandlungsbedürftigkeit nicht psychotherapeutisch fachunkundigen Personen überlassen werden sollte. Im Rahmen der Integrationsministerkonferenz, die Ende März 2015 in Kiel stattgefunden hat, sei vereinbart worden, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gemeinsam mit der BPtK im Rahmen eines Modellprojekts konzipieren solle, wie die Stellung und Finanzierung von Dolmetscherleistungen aus Bundesmitteln gestaltet werden könne. Gleichzeitig wurde ein Appell an muttersprachliche Psychotherapeut/innen gerichtet, sich aktiv um die Zulassung in Bezirken zu bemühen, in denen Menschen mit Migrationshintergrund lebten. Im Zuge der Reform der Bedarfsplanung solle die Muttersprache auch den Tatbestand eines Sonderbedarfs erhalten. Am 24.09.2015 plane die BPtK eine Veranstaltung zur psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen parallel zum dann wahrscheinlich anlaufenden Gesetzgebungsverfahren für eine verbesserte Versorgung dieser Patientengruppe im Kontext der gesetzlichen Krankenversicherung. Lehndorfer berichtete ferner von zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen, die in den letzten Jahren von der PTK Bayern zur psychotherapeutischen Versorgung von Migrant/innen durchgeführt wurden.
 
Die Kammerdelegierte Dr. Maria Gavranidou erläuterte in einem Fachvortrag die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber/innen und Flüchtlingen in München. Neben Nordrhein-Westfalen (28.540) seien im Jahr 2015 in Bayern (22.413) die meisten Asylanträge gestellt worden. Asylrecht habe in Deutschland Verfassungsrang (Art. 16 a des Grundgesetzes). Die Gesundheitsversorgung regele das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In Bayern werde die Asylsozialberatung durch die Träger der freien Wohlfahrtspflege durchgeführt. Hierzu gehörten u. a. die Arbeiterwohlfahrt, das Bayerische Rote Kreuz und der Deutsche Caritasverband. Flüchtlinge, die nach München kommen, erhielten unabhängig von der allgemeinen medizinischen Versorgung, die ihnen im Krankheitsfall zu Verfügung stünden, zwei medizinische Untersuchungen: ein Erstscreening und eine Gesundheitsuntersuchung.
Dr. Maria Gavranidou behandelt seit Jahren Asylbewerber/innen und Flüchtlinge. Foto: Johannes Schuster

Bei 40 Prozent der Asylbewerber/innen seien in neueren Studien posttraumatische Belastungsstörungen (PTB) festgestellt worden. Häufig seien auch klinisch relevante Befunde wie Depressionen, aggressives Verhalten und Ängste. 37 bis 47 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMTS) zeigten schwere Symptome von Angst, Depressionen, emotionalen Problemen sowie posttraumatische Belastungsstörungen. Eine psychotherapeutische Versorgung nach dem AsylbLG sei grundsätzlich möglich, würde aber in der Regel erst nach ärztlicher Begutachtung gewährt. Den Hauptteil der Betreuung und Versorgung übernehmen Zentren wie zum Beispiel REFUGIO München, die allerdings nicht über SGB V finanziert würden. Mangelnde Sprachkenntnisse, zu lange Wartezeiten auf den Beginn einer Psychotherapie und die schwierige Vermittlung in unterversorgten Regionen seien die Hauptprobleme in der psychotherapeutischen Versorgung von Asylbewerber/innen. Um die psychotherapeutische Versorgung der Asylbewerber/innen und Flüchtlinge zu verbessern, forderte Maria Gavranidou u. a. die Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Wichtig sei auch die Aufklärung über das deutsche Gesundheitsversorgungssystem speziell im Hinblick auf die Psychotherapie.

Den Fachvortrag von Maria Gavranidou finden Sie in der unteren Liste als pdf-Datei zum Herunterladen.

Weitere Hinweise und eine Handreichung für Ehrenamtliche zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in München finden Sie auf der Website der Landeshauptstadt München, Referat für Gesundheit und Umwelt.

Nach einer lebhaften und engagierten Diskussion verabschiedeten die Delegierten eine Resolution „Angemessene psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen sicherstellen!“, die Sie ebenfalls auf unserer Website nachlesen können.

 

Nachwahl eines Bundesdelegierten und von zwei Stellvertretern

Aufgrund der weiter angestiegenen Zahl der Kammermitglieder stehen der PTK Bayern für die Deutschen Psychotherapeutentage 17 (statt bisher 16) Bundesdelegierte zu. Als 17. Bundesdelegierter wurde Dr. Markos Maragkos gewählt. Sein erster Stellvertreter ist Willi Strobl, zweiter Stellvertreter ist Frank Mutert.
 
 
Meinungsbild zur Anzahl der Delegierten der deutschen Psychotherapeutentage (DPT)
 
Vizepräsident Dr. Bruno Waldvogel informierte über zwei Anträge zu Satzungsänderungen der BPtK, die auf dem letzten DPT mit dem Ziel vorgestellt worden seien, die Delegiertenzahl des DPT zu begrenzen. Die Delegierten äußerten sich zu den Planungen in Form eines ersten Meinungsbilds zu Kriterien, die bei einer Satzungsänderung der BPtK zur Begrenzung der Delegiertenzahl in entsprechenden Berechnungsmodellen berücksichtigt werden sollen.
 
Auf dem 27. DPT (14.11.2015) sollen nach Abwägung der unterschiedlichen Interessenlagen die Satzungsänderungen diskutiert und ggf. verabschiedet werden.
 
 
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