Psychotherapeutenkammer Bayern

Psychotherapeutische Versorgung von Soldat/innen: Fortsetzung der Fortbildungsveranstaltung in München – „Soldaten in der Bundeswehr – Dienst, Einsatz und Belastungen“

16. Oktober 2014 - Am 14.10.2014 fand in der Sanitätsakademie in München die zweite Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung von Soldat/innen mit dem Titel „Soldaten in der Bundeswehr – Dienst, Einsatz und Belastungen“ statt. Über 200 Psychologische Psychotherapeut/innen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen sowie fachärztliche Psychotherapeut/innen nahmen daran teil. Diese Kooperationsveranstaltung der Bundeswehr, der PTK Bayern, der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg sowie der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer geht auf den Vertrag (September 2013) der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) mit dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zur Behandlung von Soldat/innen in Privatpraxen zurück. Im Zuge des Vertrages wurden auch gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen vereinbart.

Die Kammervertreter und Expert/innen der Bundeswehr (v. l.): Alexander Hillers, Geschäftsführer der PTK Bayern, Dr. Bruno Waldvogel, Vizepräsident der PTK Bayern, Dr. med. Erika Franke, Generalstabsärztin und Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Regierungsdirektor Dipl.-Psych. Stefan Schanze, Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Christian Dietrich, Geschäftsführer der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg. Foto: Johannes Schuster

Dr. med. Erika Franke, Generalstabsärztin und Kommandeurin der Sanitätsakademie der Bundeswehr, sagte in ihrer Begrüßung wörtlich: „Wir sind froh und dankbar, dass der Vertrag mit Ihrem Berufsstand die psychotherapeutische Versorgung unserer psychisch kranken Soldatinnen und Soldaten verbessern wird und dass Sie unseren Soldatinnen und Soldaten helfen wollen, wieder psychisch gesund zu werden und damit mehr Lebensqualität zu erlangen.“ Dr. Bruno Waldvogel, Vizepräsident der PTK Bayern, nahm in seinem Grußwort Bezug auf die im November 2013 veröffentlichten Ergebnisse einer Studie der TU Dresden, nach der 2,9 Prozent der Soldat/innen, die aus dem Einsatz in Afghanistan zurückkehrten, an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankten. 3,6 Prozent entwickelten Angststörungen, 1,8 Prozent depressive Störungen und 1,5 Prozent ein Alkoholproblem. Waldvogel betonte auch, dass die Kooperation mit der Bundeswehr dem Berufsstand Gelegenheit gebe, hinsichtlich der Entstigmatisierung psychotherapeutischer Behandlungen gemeinsam mit der Bundeswehr und auch in der Bundeswehr noch viel zu bewirken.

Im ersten Fachvortrag wurde die Organisation der Bundeswehr und ihres Sanitätsdienstes sowie die Besonderheiten des Soldatenberufes vorgestellt. Mit der Vorbereitung und Ausbildung auf einen 4-monatigen Auslandseinsatz könnten schnell acht Monate werden, in denen ein/e Soldat/in nicht zu Hause sei. Für Soldat/innen sei es nach einem Auslandseinsatz schwierig, außerhalb der Bundeswehr die erlebten Situationen im Kreise der Familie oder gegenüber Freunden zu erklären. Wer in der Bundeswehr Karriere machen möchte, müsse zu Umzügen im gesamten Bundesgebiet bereit sein. Ein Umzug alle zwei bis drei Jahre sei eine hohe Belastung, nicht jede Familie mache das mit. Bis zu 70 % der Soldat/innen pendelten zu ihrem Dienstort, die Scheidungsrate sei relativ hoch. Psychotherapeutische Hilfe werde heute eher angenommen, die Hemmschwelle sei jedoch in der Truppe immer noch hoch. Viele psychisch kranke Soldat/innen fürchteten immer noch Konsequenzen für die weitere Karriere oder hätten Scheu, ihre psychischen Probleme im Kreise der Kolleg/innen zuzugeben. Aufgrund ihrer Ausbildung und der hierarchischen Struktur der Bundeswehr erwarteten Soldat/innen in der Therapie konkrete Zielvorgaben.

Die Schwerpunkte eines weiteren Expertenvortrags waren die einsatzvorbereitenden Maßnahmen der Truppenpsycholog/innen zum Umgang mit Belastungen, das Belastungsmanagement im Einsatz und die Reintegration nach einem Einsatz. Derzeit seien 250 Psycholog/innen bei der Bundeswehr tätig. Im Rahmen der Einsatzvorbereitung stünde die Einweisung in Stress und Stressbewältigung, psychologische Selbst- und Kameradenhilfe sowie Stressmanagementtechniken im Rahmen der Sanitätsausbildung im Vordergrund. Die Einsatzsituation wie beispielsweise extreme Temperaturen, mangelhafte hygienische Bedingungen, Trennung von Vertrautem, fehlende Privatsphäre bis hin zum Erleben des Sterbens von Kamerad/innen seien die grundlegenden Belastungen im Einsatz. Der Kernauftrag der Truppenpsycholog/innen umfasst die Führungsberatung für Vorgesetzte, Einzelfallberatung für alle Soldat/innen sowie psychologische Krisenintervention nach kritischen Ereignissen. Nach Auslandseinsätzen werden im Rahmen der Reintegration standardmäßig vier Maßnahmen angewendet: Gespräche mit den Rückkehrern noch im Einsatz, truppenärztliche Untersuchung, ob in erster Linie eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, ein Einsatznachbereitungsseminar sowie bei Bedarf die Verordnung einer Präventivkur.

Regierungsdirektor Dipl.-Psych. Stefan Schanze, Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, erläuterte in seinem Vortrag die geplanten Maßnahmen zu Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness bei Soldat/innen und ging auf die psychosoziale Unterstützung und das psychosoziale Netzwerk der Bundeswehr ein. Er stellte das Rahmenkonzept „Erhalt und Steigerung der psychischen Fitness von Soldaten und Soldatinnen“ vor, das die Bundeswehr vor zwei Jahren erlassen habe. Wer als Soldat im Einsatz verwundet wurde – ob körperlich oder seelisch –, könne bei der Bundeswehr weiterbeschäftigt oder in ein „Wehrdienstverhältnis besonderer Art“ wieder eingestellt werden. In einer so genannten „Schutzzeit“, die, in Abhängigkeit von Schädigung und Therapieverlauf, durchaus auch mehrere Jahre andauern kann, können sich einsatzgeschädigte Soldatinnen und Soldaten gesundheitlich behandeln lassen und beruflich rehabilitieren. Dies schützt Betroffene vor einer Entlassung während der Behandlung und steht allen Statusgruppen zur Verfügung: Zeitsoldaten, Berufssoldaten, ehemaligen Soldatinnen und Soldaten. All dies sei im 'Einsatzversorgungsverbesserungsgesetzt (EinsatzVVerbG)' vom 05.12.2011 und im „Einsatz-Weiterverwendungsgesetz (EinsatzWVG)“ vom 04.09.2012 geregelt.

„Psychologische Psychotherapeut/innen in der Bundeswehr; Symptom- und Belastungslagen von Soldaten-Patienten, Schnittstellen zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung“ war der Titel eines weiteren Vortrags. Am Beispiel des Bundeswehrkrankenhauses in Ulm wurde das Leistungsspektrum der dortigen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychotraumatologie vorgestellt. Eine Längsschnittstudie zu belastenden Einsatzereignissen habe u. a. das Sehen zerstörter Häuser und Dörfer (83,2 %), Feindseligkeiten von Zivilpersonen (57,1 %) sowie das Sehen kranker oder verletzter Frauen und Kinder (42,4 %) als meist genannte traumatisierende Erlebnisse ergeben.

Informationen zur Beantragung, Verlängerung und Abrechnung einer Psychotherapie rundeten die Veranstaltung ab. Psychotherapeut/innen mit KV-Zulassung können über die KVB abrechnen, das falle nicht in das Budget. Kammermitglieder möchten sich idealerweise bei Rückfragen an die Truppenärzt/innen wenden. Die Patient/innen erhalten von ihren Truppenärzt/innen das entsprechende Formblatt (Überweisungsschein), das sie ihrer/ihrem Psychotherapeut/in/en aushändigen. Die Abrechnung für Privatpraxen erfolgt nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte. Die Bundeswehr übernimmt im Regelfall Kosten in Höhe des 2,0-fachen Satzes. Das entspricht in etwa dem Honorar der gesetzlichen Krankenversicherung. Ist eine höhere Vergütung notwendig, ist dies für den Einzelfall zu begründen.

In der abschließenden Diskussion wurden viele Fragen gestellt, die von den Experten der Bundeswehr detailliert beantwortet wurden.

Die Pilotveranstaltung fand Mitte März in Berlin statt, für die zweite Veranstaltung war München vorgesehen. Weitere zwei Veranstaltungen für die Mitglieder der west- und norddeutschen Psychotherapeutenkammern wird es am 27.11.2014 in Koblenz und am 02.12.2014 in Hamburg geben.

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